Dokumentation der Vertreibung
und die Pommerschen Landsmannschaft

In: Zehn Jahre Pommersche Landsmannschaft 1948-1958. Herausgegeben von der Pommerschen Landsmannschaft, Kulturabteilung. Hamburg 1958. Darin: IV. Die Arbeit der Pommerschen Landsmannschaft. 6. Dokumentarische Arbeiten



Inhalt:
a) Die zeitgeschichtliche Dokumentation, von Konrad Osterwald (S.56-57)

b) Die Rekonstruktion des Einwohnerbestandes, von Dr. W. Kuschfeldt (S.58-60)

I. Die Anfänge der Erfassung
II. Die Heimatkreisbearbeiter und ihre Arbeitsgemeinschaft
III. Der Suchdienst der Wohlfahrtsverbände und die Heimatortskartei Pommern
IV. Gesamterhebung
c) Die Besitzstandsrekonstruktion, von Joachim von Münchow
I. Landwirtschaftliches Vermögen:
II. Grundvermögen:
III. Betriebsvermögen:
IV. Wiedergutmachungsfälle
V. Erschwernisse bei der Rekonstruktion:


a) Die zeitgeschichtliche Dokumentation, von Konrad Osterwald (S.56-57)

Mit dem Zusammenbruch des Deutschen Staates und der Besetzung des östlichen Teils des Deutschen Reiches durch russische und polnische Truppen, aber auch nach Übernahme der Verwaltung des Landes jenseits der Oder und Neiße zunächst durch die Russen und danach durch die Polen, kurzum durch die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus diesem Gebietsteil wurde die Verwaltung dieser Landesteile vollkommen zerstört. Damit wurden auch die Einwohnerkarteien, ein großer Teil der Urkunden und fast alle Aufzeichnungen über die Ereignisse in diesem Gebiet vernichtet. Es war nicht möglich, vom Jahre 1945 ab von dort irgendwelche Urkunden oder Aufzeichnungen zu erhalten. Infolgedessen konnte man auch nicht die Existenz der damaligen Einwohner und ihren Verbleib feststellen.

Kurz nach dem Zusammenbruch gab es keine Organisation, die diese Aufgaben hätte übernehmen können. Erst allmählich fanden sich einzelne, die die Wichtigkeit solcher Feststellungen erkannten. Unter ihnen war es vor allem der Ostpreuße von Spaeth-Meyken, der zunächst daranging, den Vertreibungstatbestand aufzuzeichnen und die Berichte über Greuel, aber auch über die der deutschen Bevölkerung erwiesenen Wohltaten sammeln zu lassen. Die niedersächsische Landesregierung unterstützte diese Arbeit der Dokumentation. Eine Wissenschaftliche Kommission des Vertriebenenministeriums faßte sodann ausgewählte Berichte über die Ereignisse des Jahres 1945 zu einem zweibändigen Buche "Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa" zusammen. Ein Zusatzband, der die Erlebnisse einer pommerschen Frau aus dem Kreise Greifenberg schildert, ergänzt das Werk, das auch in amtlichen Bibliotheken des Auslandes Aufnahme fand und seine Wirkung nicht verfehlte.

Neben dieser Sammlung von Berichten befaßte sich der Arbeitskreis von Spaeth-Meyken mit rekonstruktiver Arbeit, indem er von Landsleuten die Aufstellung von Einwohnerlisten aus dem polnisch besetzten Gebiet nach dem Stande vom 1.9.1939 bzw. dem Zeitpunkt der Vertreibung anforderte. Hierdurch kamen allein für das polnisch verwaltete Gebiet Pommens ca. 2400 Listen zusammen.

Höhren Orts wurde die Wichtigkeit dieser Aufgabe mehr und mehr erkannt, so daß sich im Jahre 1956 die Bundesregierung ihrer annahm und in einem Aufruf "Gesamterhebung-Ostdokumentation" in der gesamten Presse der Bundesrepublik zur

"Gesamterhebung der deutschen Bevölkerungsverluste in den Vertreibungsgebieten"
aufforderte.

Daraufhin wurde mit der Gesamterhebung begonnen, die nach ihrem Abschluß

  1. das Ausmaß und den Umfang der Flucht und der Vertreibung der deutschen Bevölkerung feststellt,
  2. das Schicksal und den Verbleib der deutschen Bevölkerung der Vertreibungsgebiete klärt und
  3. Voraussetzungen für Hilfsmaßnahmen zugunsten der noch unter fremder Verwaltung oder in fremdem Gewahrsam lebenden Deutschen schafft.
Mit dieser Aufgabe wurde u. a. auch der Verband der Landsmannschaften beauftragt. Im Rahmender Pommerschen Landsmannschaft erhielt die Aktion Pommern den Auftrag zur Durchführung der Gesamterhebung. Zum Gebiet der Gesamterhebung gehört in Pommern der polnisch verwaltete Teil, d. h. das Gebiet jenseits von Oder und Neiße mit

25 Landkreisen und
6 Stadtkreisen.

Drei Kreise, nämlich Usedom-Wollin, Ückermünde und Greifenhagen, werden von der Demarkationslinie durchschnitten, so daß nur ein Teil zum polnisch verwalteten Gebiet und der andere Teil zu Mitteldeutschland gehört.

Das gesamte zu bearbeitende Gebiet umfaßt 2285 Gemeinden mit einer Gesamteinwohnerzahl von 1854983. Von diesen 2285 Gemeinden sind bisher im Laufe der Zeit 898 Gemeinden mit ca. 325800 Einwohnern vollständig erfaßt worden. Der größte Teil der übrigen Gemeinden wurde in fast vollständigem Umfange aufgezeichnet. Es bedarf hierbei noch der Mitarbeit der Landsleute, um auch diese Gemeinden lückenlos zu erfassen.

Von den vollständig erfaßten Listen ist der größte Teil bereits an die Heimatortskartei Pommern in Lübeck geschickt worden, damit sie diese Listen mit ihrer Kartei vergleichen und die Nachforschung nach den bisher unbekannten Orts verbliebenen Landsleuten anstellen kann. Die Arbeit der Heimatortskartei wird so dann ergeben, wer lebt, wer umgekommen, wer verschleppt oder verschollen ist.

Im Rahmen dieser Gesamterhebung gehen den Landsleuten vom Roten Kreuz Fragebogen zu, deren Beantwortung mit der Nachforschung der Vertriebenen zusammenhängt. Es wird daher dringend gebeten, auch diese Fragebogen gewissenhaft zu beantworten, damit das Schicksal jedes einzelnen Einwohners der jetzt polnisch verwalteten Gebiete geklärt werden kann.

Vom Bundesarchiv hat die "Aktion Pommern" ferner den Auftrag, auf Grund von Fragebogen Berichte der Landsleute über die Ereignisse im Jahre 1945 einzuholen, damit einmal für die spätere Geschichtsschreibung eine Grundlage vorhanden ist. Es kommt aber auch darauf an, festzustellen, welche Werte in der Heimat vorhanden waren und welche vernichtet wurden, welche Bevölkerungsteile rechtzeitig die Flucht ergriffen oder von den Kampfhandlungen überrascht wurden und welche Verluste durch Kampfhandlungen, Krankheit, Seuche und Freitod entstanden sind.

Der Gesamterhebung ist eine große Aufgabe gestellt, die nur erfüllt werden kann, wenn alle früheren Einwohner der Vertriebenengebiete bereitwillig mitarbeiten. Sie leisten nicht nur sich selbst einen Dienst, sondern auch allen ihren Landsleuten, und helfen viel Leid beseitigen.



b) Die Rekonstruktion des Einwohnerbestandes, von Dr. W. Kuschfeldt (S.58-60)

I. Die Anfänge der Erfassung

Als die pommerschen Landsleute nach Flucht, Vertreibung oder Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft, ihrer Habe beraubt und oft als unbequeme Eindringlinge angesehen, eine notdürftige Bleibe gefunden hatten, da sahen sie sich folgender Lage gegenüber: die Familien waren auseinandergerissen, die Gemeinschaften aufgelöst, eine Verbindung zur Heimat gab es nicht mehr und Urkunden und Nachweise waren verloren oder weggenommen worden. Jegliche Verwaltung des Heimatgebietes hatte aufgehört. Die polnische Besetzung Pommerns, die Einführung von Besatzungszonen und später der eiserne Vorhang" trugen dazu bei, die Familienzusammenführung und die Verbindung zwischen den in Westdeutschland ansässig gewordenen mit den in der Heimat oder in Mitteldeutschland zurückgebliebenen Familienangehörigen und Landsleuten zu erschweren. In dieser Lage war der Wunsch, nach Zusammenschluß besonders stark - aber - er wurde verboten.

Trotzdem sammelten sich allerorts die Pommern, und wenn sie sich trafen, stand die Frage nach dem Schicksal ihrer Angehörigen im Vordergrund. Bald fanden sich Landsleute, die das so zusammengetragene Wissen aufzeichneten und - mit leeren Händen - sich um die Betreuung ihrer Schicksalsgenossen kümmerten. Besonders in Lübeck, das mit Flüchtlingen überfüllt war, und in Schleswig-Holstein waren es Landsleute, die sich dieser Aufgabe unterzogen. Von denen sind u. a. folgende heute noch als Heimatkreisbearbeiter tätig: Block (Pyritz), Schwenkler (Köslin), Hans Schulz (Treptow-Greifenberg), Stübs (Schlawe), Reinhardt (Gollnow), Hinz (Bütow), Peter (Naugard), Wenzel (Lauenburg), Dr. Kuschfeldt (Stolp), Dresewski (Kolberg) - und von denen u. a. Kröning (Köslin), Grunwald (Kolberg), Mascow (Stettin), Keller (Stargard), Büge (Cammin), Hannemann (Greifenberg), Dr. Schleiff (Schlochau) verstorben sind. Sie dehnten ihre Betreuungstätigkeit auf ihren Heimatkreis aus, und so entstanden die ersten Heimatkreiskarteien, z. B. schon im Frühjahr 1945 durch Stübs für Schlawe und durch Schübner (später Dr. Kuschfeldt) für Stolp. Weiter seien erwähnt: Dr. Seefeldt (Usedom-Wollin), Ulrich Schreiber (Neustettin), die auch Heimatkreiskarteien angelegt hatten. Insgesamt verzeichnete im Mai 1948 der "Pommernbrief" 74 solcher "Anschriftensammler, Kreis- und Stadtbearbeiter".

Sie sammelten und vermittelten nicht nur Anschriften und gaben Anschriften- und Suchlisten heraus, sondern waren auch sonst in allen Lebensfragen betreuend tätig und bemühten sich um Beschaffung verlorener Unterlagen sowie um die Zusammenfassung ihrer Landsleute. Es wurden die ersten Heimatkreistreffen veranstaltet, die bei großer Beteiligung die Freuden des Wiederfindens und Wiedersehens brachten.

II. Die Heimatkreisbearbeiter und ihre Arbeitsgemeinschaft

Nachdem sich in einzelnen Orten, so in Lübeck, einige dieser "Kreis- und Ortsbetreuer" zusammengefunden hatten, um eine Zusammenarbeit (trotz des Koalitionsverbotes) zustande zu bringen, lud Ende Mai 1948 Friedrich Schreiber (Neustettin) 56 Männer zu einer Arbeitstagung der Betreuer zum 10. Juni 1948 nach Rendsburg ein. Es waren dazu auch Wilhelm Hoffmann und Ulrich Schreiber vom Pommerschen Arbeitsausschuß und vom "Hauptausschuss des Ostvertriebenen" und der Herausgeber des "Pommernbriefes", v.d.Ropp, erschienen. Trotz knapper Mittel und Arbeitslosigkeit waren zahlreiche Teilnehmer erschienen, die eine "Arbeitsgemeinschaft" gründeten. Vorsitzender wurde Bürgermeister a.D. Kröning (Köslin).

Auf dem nach Gründung der Pommerschen Landsmannschaft veranstalteten ersten Pommerntreffen in Oldenburg (Oldbg.) unter Leitung des Staatssekretärs von Bismarck am 4. und 5. September 1948 stellte Wilhelm Hoffmann als Geschäftsführer des "Pommerschen Arbeitsausschusses" fest: "Die Grundlage aller landsmannschaftlichen Arbeit wurde von den Heimatkreisbearbeitern gelegt, die die Vorarbeiten zur Sammlung aller Landsleute geleistet haben."

Inzwischen waren die ersten Heimatkreisblätter erschienen, die neben dem "Pommernbrief" und "Rundbriefen" von Pastoren wesentlich zur Sammlung der Pommern beitrugen. Nach dem Pommerntreffen in Hannover am 6. Februar 1949, auf welchem die Konstituierung der "Pommerschen Abgeordneten-Versammlung" beschlossen wurde, fanden sich die pommerschen Heimatkreisbearbeiter zwecks Zusammenfassung der vielfach zersplitterten Arbeit zu einer Tagung zusammen, die der Vereinheitlichung und Vereinfachung der Heimatkreisarbeit diente. Es galt, für jeden Kreis nur einen verantwortlichen, von der Landsmannschaft anerkannten Bearbeiter zu berufen, die Heimatkreisbearbeiter zusammenzuschließen, ein pommersches Adreßbuch vorzubereiten und sich mit Fragen der Vorbereitung eines Lastenausgleichs zu befassen. Ein Vorstand wurde gewählt, an dessen Spitze Bürgermeister a.D. Kröning (Köslin) trat und dem Dr. Curt Hoffmann (Greifenhagen), Dr. Walter Kuschfeldt (Stolp) und D. v.Doetinchem (Blankenhagen) angehörten. Allgemein anerkannt wurde, da ein Provinz- oder Kreisadreßbuch an finanziellen Schwierigkeiten scheitern mußte, die Notwendigkeit der Schaffung von Kreis-Heimatarchiven und Ortschaftskarteien. Entsprechend dem gefaßten Beschluß wurden die anerkannten Heimatkreisbearbeiter festgestellt.

Auf der Tagung der Arbeitsgemeinschaft im Rahmen des Lüneburger Pommerntreffens wurden am 30. Juli 1949 Dr. Hoffmann zum Vorsitzenden und Dr. Kuschfeldt und Schwenkler zu weiteren Vorstandsmitgliedern gewählt und auf der Tagung am 11. Januar 1950 Dr. Kuschfeldt als Vorsitzender und Dresewski und Schwenkler als weitere Vorstandsmitglieder, die auch heute noch im Amt sind und zu denen 1955 Block und 1957 Kümmel (Greifswald) traten. Auf der Tagung am 18. Januar 1950, die sich hauptsächlich mit der Erfassungsarbeit beschäftigte, wurde festgestellt, daß bis dahin rd. 200000 Anschriften gesammelt und schätzungsweise 600000-700000 Pommern erfaßt waren. Es wurde die Forderung nach staatlicher Finanzierung mit Nachdruck wiederholt. In Zusammenarbeit mit dem Bundesvertriebenenministerium wurden die Karteien, nachdem ihr Ausbau festere Formen angenommen hatte, vornehmlich für folgende Zwecke herangezogen: Suchdienst, Schadensfeststellung, Bereitstellung von Dokumentenmaterial und Erlebnisberichten. Im Jahre 1950 waren alle ostpommerschen Heimatkreise mit Heimatkreisbearbeitern besetzt, die die Erfassung teils in Listen-, teils in Karteiform. durchführten. Sie geschieht unter dankenswerter Mitwirkung zahlreicher Orts- und Gemeindevertrauensleute, Lehrer, Pfarrer und vieler freiwilliger Helfer durch Auswertung aller anfallenden Unterlagen und Nachbarschaftsbefragung.

Die Heimatkreisbearbeiter wurden auch zu Repräsentanten ihrer Heimatkreise und wurden und werden in immer steigendem Maße von Behörden in Anspruch genommen, ohne daß eine staatliche Finanzierung dieser umfangreichen ehrenamtlichen Arbeit erfolgt. Sie wirkten auch an der Bildung der Heimatauskunftstellen und ihrer Ausschüsse mit und leisten erhebliche Arbeit bei der Schadensfeststellung. Sie beteiligten sich ferner an der vom Bundesvertriebenenminister angeordneten und von Herrn von Spaeth-Meyken und der Aktion Pommern durchgeführten Dokumentation der Vertreibung, welche durch eine Fragebogenaktion und Aufstellung von Gemeindeseelenlisten eingeleitet wurde, sowie an dern Aufbau der Heimatortskartei Pommern.

Nachdem schon der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft ständiges Mitglied des Bundesvorstandes geworden war, stellen seit 1954 die Heimatkreisbearbeiter 12 Abgeordnete zur Pommerschen Abgeordneten-Versammlung. Nach Aufstellung der Satzung der Pommerschen Landsmannschaft am 13. November 1955, auf Grund deren die Heimatkreise und ihre Arbeitsgemeinschaft organisch in die Pommersche Landsmannschaft eingebaut wurden, gaben sich die Heimatkreise am 21. Oktober 1956 eine "Heimatkreisordnung". Sie nennt als Aufgaben der Heimatkreise: die Aufrechterhaltung der Liebe zur Heimat und der Verbindung zu ihr, die Pflege des Zusammenhalts, die Durchführung von Heimattreffen und die Pflege von Verbindungen zu Patenschaftsträgern und als Pflichten der Heimatkreisbearbeiter insbesondere u. a.: Durchführung und Förderung der Aufgaben der Heimatkreise, Auf- und Ausbau einer Heimatkreiskartei, Mitwirkung bei Suchdienstaufgaben und der Erfüllung staatlicher Aufgaben sowie bei der Rückkehrplanung, die Förderung der Bildung von örtlichen Zusammenschlüssen von Kreisangehörigen, ferner Sammlung, Registrierung und Pflege der Kulturgüter.

Nachdem seit 1956 für alle vorpommerschen Kreise Heimatkreisbearbeiter bestellt sind, ist der Aufbau auch der vorpommerschen Heimatkreiskarteien in Angriff genommen worden. Durch die unermüdliche Arbeit der ostpommerschen Heimatkreisbearbeiter mit ihren Kreiskarteien hat die Erfassung in den ostpommerschen Heimatkreisen einen hohen Stand erreicht.

III. Der Suchdienst der Wohlfahrtsverbände und die Heimatortskartei Pommern

Nach dem Zusammenbruch, leiteten das Deutsche Rote Kreuz (Suchdienst Hamburg und München, Zentrale Namenskartei in München und Suchdienst Dr. Gaul in Lübeck), die Kirchen (Caritasverband, Ev. Hilfswerk, Hilfskomitees der ostdeutschen Kirchen, die Diözesen), die Arbeiterwohlfahrt und andere Wohlfahrtsorganisationen einen umfangreichen Suchdienst nach Vermißten und Verschleppten sowie Kriegsgefangenen ein, wobei sich ihre Tätigkeit überschnitt. Deshalb versuchte nach dem Zusammenschluß der Westzonen das Bundesvertriebenenministerium, Ordnung in die Suchdienstverhältnisse zu bringen. Von den bisher tätigen 72 Organisationen wurden nur wenige anerkannt und gefördert. Neben der Anerkennung der landsmannschaftlichen Suchdienstarbeit wurde der Suchdienst dem Deutschen Roten Kreuz für das Gebiet der Wehrmachtsvermißten und Kriegsgefangenen sowie der Kindersuchdienst, der Suchdienst nach vermißten und verschleppten Zivilpersonen aber den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden mit ihren Heimatortskarteien übertragen, wobei gleichzeitig die nach westlichen Diözesen aufgebauten Karteien nach den ostdeutschen Heimatgebieten umgegliedert wurden.

Im Rahmen dieser Umgliederung übertrug der Caritasverband seine Fuldaer Kartei, soweit sie sich auf Pommern bezog, dem Hilfskomitee ev. Deutscher aus Pommern in Lippstadt, und dieses beauftragte auf Vorschlag der Pommerschen Landsmannschaft den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der pommerschen Heimatkreise, Dr. Kuschfeldt, der auch heute noch Leiter der in Lübeck von ihm aufgebauten Kartei (jetzt Lindenplatz 7) ist, mit der Leitung der Kartei. Seit der Übernahme in pommersche Hand im August 1950 hat sich die Kartei, deren Trägerschaft nach dem Tode des Vorsitzenden des Pommerschen Hilfskomitees, Pastor Dr. Gehlhoff (Lupow), auf das Hilfswerk der Ev. Kirche Deutschlands in Stuttgart überging und die unter Aufsicht des Statistischen Bundesamtes steht, durch Auswertung aller erreichbaren Unterlagen, insbesondere aus der Schadensfeststellung, der Vertriebenenausweisaktion, den Umzugsmeldungen der Einwohnermeldeämter und der Gesamterhebung, aus kleinen Anfängen so ausgebaut, daß sie am 31. März 1958 über 1,3 Millionen Landsleute erfaßt hat. Es sind erfaßt von dem Einwohnerstande zu Kriegsbeginn im früheren Regierungsbezirk Stettin in Stettin selbst 72 010, in den vorpommerschen Kreisen 6 %, in den durchschnittenen Kreisen 37 %, in den übrigen Kreisen 69 % (Saatzig 79, Cammin 74, Stargard 68 %), im Regierungsbezirk Köslin durchschnittlich 76 % (Stadt Stolp 104, Greifenberg 92, Stadt Köslin 86, Stadt Kolberg und Landkreis Köslin 79 %), im Regierungsbezirk Schneidemühl durchschnittlich 60 % (Neustettin 79, Stadt Schneidemühl 72, Deutsch-Krone 68, Dramburg 67, die früher neumärkischen Kreise Arnswalde und Friedeberg 34 und 22 %).

In diesen Zahlen sind rund 92 000 Personen enthalten, deren Schicksal noch ungeklärt ist. An dieser Schieksalsklärung wird intensiv gearbeitet.

Auf Grund des staatlichen Auftrags arbeitet die Heimatortskartei Pommern weiter u. a. an folgenden Aufgaben: Weiterbearbeitung der bisher noch ungeklärten Suchfälle aus der amtlichen Zivilvermißtenregistrierung von 1950 (rund 16 300 Fälle), Mitwirkung in Verschollenheitssachen, Bearbeitung der privaten Suchanträge (rund 45 700 Anträge), Auskunfterteilung an Behörden und sonstige öffentliche Stellen in Angelegenheiten des Lastenausgleichs, der Rentenversorgung und der Fürsorge, der Verwaltung und der Strafverfolgung, Leitbarmachung von Kriegssterbefallanzeigen der WASt und der Kriegsgefangenenpost, Einarbeitung der Kriegsgefangenenkarten und Erledigung von Suchdienstanfragen des DRK sowie Anfragen des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge, Mitwirkung bei der Gesamterhebung durch Herstellung der Gemeinde-Istlisten, Lückenschließung und Schicksalsklärung.

IV. Gesamterhebung

Um die vorhandenen Lücken zu schließen, war die Pommersche Landsmannschaft seit jeher um die Durchführung einer amtlichen Erhebung bemüht, da die 1950 eingeleitete Zivilvermißtenregistrierung nur von einem verhältnismäßig kleinen Teil der Suchenden in Anspruch genommen war. Deshalb faßte die Pommersche Abgeordneten-Versammlung beim Deutschlandtreffen der Pommern in Hannover am 13. Mal 1951 auf Antrag von Dr. Kuschfeldt eine Entschließung, die eine Urerhebung aller Heimatvertriebenen zwecks restloser Erfassung aller Landsleute forderte. Seitens der Pommerschen Landsmannschaft wurde unter Einschaltung des Verbandes der Landsmannschaften und heimatvertriebener Bundestagsabgeordneter der Plan vorwärtsgetrieben und endlich am 25. März 1953 vom Bundestag einstimmig eine Gesamterhebung der Vertreibungsverluste zwecks Schicksalsklärung und Lückenschließung beschlossen. Nach langen Planungsarbeiten wurde vom Bundesvertriebenenministerium der Auftrag an den Verband der Landsmannschaften, das Deutsche Rote Kreuz und die Heimatortskarteien erteilt, gemeinsam diese Gesamterhebung durchzuführen, wobei die Aufgaben so verteilt wurden, daß das DRK eine Befragung durch Erhebungsbogen, die Landsmannschaften die Feststellung des Sollbestandes und die Heimatortskarteien nach Linarbeitung der Erhebungsbogen und der Soll-Listen und Herstellung von Ist-Listen die Lückenschließung durchführen und die Schicksalsklärung versuchen. Die Erhebungsbogenaktion und die Fertigstellung der Soll-Listen, woran außer den Mitgliedsgruppen die Heimatkreisbearbeiter mit ihren Vertrauensleuten arbeiten, soll im Laufe dieses Jahres abgeschlossen werden.

Es ist zu hoffen, daß diese Gesamterhebung viel dazu beitragen wird, daß über das Schicksal von mehr als 100 000 Pommern, über deren Verbleib bisher nichts ermittelt werden konnte, den sehnsüchtig wartenden und immer noch auf Rückkehr hoffenden Angehörigen Gewißheit verschafft werden kann.



c) Die Besitzstandsrekonstruktion, von Joachim von Münchow

Das am gleichen Tage mit dem Lastenausgleichsgesetz (LAG) vorn Bundestag beschlossene "Gesetz über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschilden" (FG) vom 14. 8. 1952 hat in seinen §§ 23-26 (Organisation) die Arbeit der Ausgleichsämter als Feststellungsbehörden (Feststellungsämter und Feststellungsausschüsse) und die Errichtung von Heimatauskunftstellen für die einzelnen Vertreibungsgebiete bestimmt sowie deren Aufgaben umrissen. Weder der Gesetzgeber (Bundestag) noch die Verordnungsgeber (Bundesfinanzministerium und Bundesausgleichsamt) konnten sich im. Jahre 1952 völlig im klaren darüber sein, welch großes Maß von Verantwortung im Laufe der Zeit den Heimatauskunftstellen aufgebürdet werden mußte. Sicher hat auch damals der Gesetzgeber nicht übersehen, welche Fülle von einzelnen Rechtsverordnungen und Durchführungsbestimmungen für die Ersatzbewertung der einzelnen Vermögensarten erarbeitet und erlassen werden mußten bzw. noch erlassen werden müssen. Kein Mensch konnte voraussehen, ob sich überhaupt die Arbeit der Heimatauskunftstellen bewähren und ob es möglich sein würde, mit ihrer Hilfe eine einwandfreie Schadensfeststellung durch die Ausgleichsämter zu ermöglichen, um daraufhin die Leistungen aus dem. Lastenausgleichsgesetz durchführen zu können. Bei der Errichtung der pommerschen, ostpreussischen und danzig-westpreussischen Heimatauskunftstellen beim Landesausgleichsamt Schleswig-Holstein am 2. März 1953 brachte der damalige Landesfinanzminister von Schleswig-Holstein zum Ausdruck, daß die Heimatauskunftstellen eine Art erster Selbstverwaltungskörperschaften der Ostprovinzen sein sollten. Es bleibt dem Urteil der Geschichte überlassen, ob diese Dienststellen ihre Arbeit sauber, getreu und redlich zum Zweck einer einwandfreien Schadensfeststellung im Rahmen der durch die Gesetzgebung gegebenen Möglichkeiten und !m. Sinne ihrer heimatvertriebenen Landsleute bisher erfüllt haben bzw. zu Ende führen werden.

Die Heimatauskunftstellen sahen und sehen es - neben der vorbezeichneten Arbeit als Hilfsdienststellen der Ausgleichsbehörden für die Schadensfeststellung - als ihre weitere Aufgabe an, den Besitzstand zu rekonstruieren und festzuhalten, wie er im Augenblick der Besetzung unserer Heimat durch die Rote Armee bestand. Nur so können spätere Unklarheiten und unnötige Streitigkeiten vermieden werden, wenn uns der Herrgott eines Tages die Gnade unserer Rückkehr in die Heimat schenkt.

Bei den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben wird diese Aufgabe restlos durchgeführt werden können, während beim Grund- und Betriebsvermögen die Eigentumsrekonstruktion - allein schon aus personellen Gründen - sich auf die zur Schadensfeststellung angemeldeten Grundstücke bzw. Betriebe beschränken muß. Vorangestellt seien einige Zahlen, die den Umfang der zu leistenden Arbeit deutlich machen sollen:

Die Provinz Pommern hatte 1939 - einschließlich der jetzt in Mitteldeutschland liegenden Gebiete - 2 393 844 Einwohner, hiervon entfielen

  • auf den Reg.-Bez. Stettin 1 137782
  • auf den Reg.-Bez. Köslin 676790
  • auf den Reg.-Bez. Schneidemühl 479272 (einschl. der Kreise Arnswalde u. Friedeberg) (z. T. Kreise der früheren Provinz Grenzrnark-Posen-Westpreußen)
  • Zum Arbeitsgebiet der pommerschen Heimatauskunftstellen Stettin (30), Köslin (31) und Schneidemühl (32) gehören
  • 6 Stadtkreise (Stettin, Stargard, Köslin, Kolberg, Stolp, Schneidemühl)
  • und 24 Landkreise (Cammin in Pom., Greifenhagen, Naugard, Pyritz, Randow, Saatzig, Ueckermünde, Usedom-Wollin, Belgard/Persante, Bütow, Greifenberg in Pom., Köslin, Kolberg-Körlin, Lauenburg in Pom., Regenwalde, Rummelsburg in Pom., Schlawe in Pom., Stolp, Deutsch-Krone, Dramburg, Flatow, Netzekreis, Schlochau, Neustettin)
  • mit ca. 1 835 000 Einwohnern (1939). In dieser Zahl sind die Einwohner der in der "DDR" liegenden Teile der Kreise Randow, Ueckermünde und Usedom-Wollin nicht enthalten, ebenso auch nicht die der Kreise Arnswalde und Friedeberg, die zum Arbeitsgebiet der Heimatauskunftstelle Frankfurt/Oder gehören.

    Hiervon sind nach den z. Z. geltenden Bestimmungen nur die Landsleute antragsberechtigt, die ihren Wohnsitz bis zum 31. 12. 19 5 2 in der Bundesrepublik oder West-Berlin genommen haben bzw. im. Wege der Familienzusammenführung zu ihren nächsten Angehörigen, vorausgesetzt, daß diese schon am 31. 12. 1952 im. Geltungsbereich des Grundgesetzes oder in West-Berlin ständigen Aufenthalt hatten, ferner Spätheimkehrer und Aussiedler.

    Zur Zeit der Einheitsbewertung 1935 gab es in der Provinz Pommern und im - erst 1938 angegliederten - Reg.-Bez. Grenzmark Posen-Westpreußen (Schneidemühl) ohne die Kreise Arnswalde und Friedeberg:

  • rd. 142000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe mit einer Gesamtfläche von rd. 3,5 Millionen ha und einem Gesamt-Einheitswert von rd. 2 Milliarden RM,
  • 718 gärtnerisch genutzte Betriebe mit einer Gesarntfläche von rd. 1400 ha und einem Gesamt-Einheitswert von rd. 7,4 Millionen RM,
  • rd. 132500 bebaute und unbebaute Grundstücke (Grundvermögen) mit einem Gesamt-Einheitswert von rd. 1,7 Milliarden RM,
  • rd. 25600 Betriebe (Betriebsvermögen einschl. Betriebsgrundstücke) mit einem Gesamt-Einheitswert von rd. 653 Millionen RM.
  • Hiervon entfallen in den Arbeitsbereich der pommerschen Heimatauskunftstellen (ohne das in der "SBZ" liegende vorpommersche Gebiet):
  • rd. 118500 land- und forstwirtschaftliche Betriebe mit einer Gesamtfläche von rd. 2,8 Millionen ha und einem Gesamt-Einheitswert von rd, 1,6 Milliarden RM,
  • rd. 520 gärtnerisch genutzte Betriebe mit einer Gesarntfiäche von rd. 1200 ha und einem Gesamt-Einheitswert von rd. 5,5 Millionen RM,
  • rd. 99000 bebaute und unbebaute Grundstücke (Grundvermögen) mit einem Gesamt-Einheitswert von rd. 1,5 Milliarden RM,
  • rd. 19000 Betriebe (Betriebsvermögen einschl. Betriebsgrundstücke) mit einem Gesamt-Einheitswert von rd. 560 Millionen RM.
  • Bei den landwirtschaft1ichen Betrieben muß berücksichtigt werden, daß die Einheitswerte 1935 zu den Verkehrswerten etwa in einem Verhältnis 1:3,5 bzw. 4 standen. Nach der Einheitsbewertung 1935 dürfte sich durch die damalige starke Bautätigkeit die Zahl der bebauten Grundstücke - und damit die Höhe der Einheitswerte - nicht unwesentlich erhöht haben.

    Bei der Ersatz-Einheitsbewertung für Betriebsvermögen müssen auch solche Betriebe erfaßt und bearbeitet werden, für die seinerzeit eine besondere Einheitsbewertung wegen Geringfügigkeit (d.h. unter der 3000-RM-Grenze) nicht vorgenommen wurde und die in den o.a, 19 000 Betrieben nicht enthalten sind, z. B. fast sämtliche Ein-Mann-Handwerksbetriebe in den ländlichen Gemeinden.

    Es dürfte zweckmäßig sein - in der Rückschau auf einen nunmehr über 5jährigen Arbeitszeitraum der pommerschen Heimatauskunftstellen -, einmal die breitere Öffentlichkeit mit der Verfahrensweise vertraut zu machen, die bei der Arbeit der Schadensfeststellung, d. h. der Besitzstandsrekonstruktion angewandt wird und hierbei auch die bisher aufgetretenen Schwierigkeiten aufzuzeigen.

    Durch Rechtsverordnungen hat die Bundesregierung geregelt, in welcher Form die Schadensfeststellung im einzelnen zu erfolgen hat.

    Dabei regelt

    Des weiteren ist erschienen die 7. FeststDV vom 18.12.1956, die die nach § 359 LAG zu behandelnden Vertreibungsschäden regelt (Wiedergutmachungsfälle).

    Weiterhin wird bis zur Veröffentlichung dieser Zeilen eine 10. FeststDV, die die Bewertung des forstwirtschaftlichen Vermögens vorsieht, erlassen sein.

    Darüber hinaus sind zu erwarten weitere Rechtsverordnungen über die Bewertung der Teichwirtschaft, Fischzuchten und Wasserflächen sowie des gärtnerischen Vermögens.

    I. Landwirtschaftliches Vermögen:

    Für die Bewertung des landwirtschaftlichen Vermögens ist durch die 3. FeststDV als Grundlage der Einheitswert per 1.1.1935 festgelegt. Soweit Einheitswerte, die sich auf diesen Zeitpunkt beziehen, vorgelegt werden können oder nach den 1. Richtlinien für die Schadensberechnung rekonstruierbar sind, sind sie zugrunde zu legen.

    Für alle Betriebe, für die solche Nachweise nicht vorgelegt werden, hat eine Ersatz-Einheitsbewertung in Anlehnung an die nachgewiesenen Werte im Rahmen der vom Bundesausgleichsamt festgelegten Kreishektarsätze und der daraus ermittelten Gemeindehektarsätze stattzufinden.

    Die Heimatauskunftstellen waren bei Beginn der Vorarbeiten für diese Ersatz-Einheitsbewertung gehalten, alles erreichbare Material, das wesentliche Hinweise auf die früheren heimatlichen Verhältnisse beinhaltet, aufzuspüren und für die Zwecke der Ersatz-Einheitsbewertung nutzbar zu machen.

    Durch Ermittlung geeigneter Ortsvertrauensleute mußte zunächst ein Mitarbeiterstab aufgebaut werden, der in ehrenamtlicher Kleinarbeit der Heimatauskunftstelle laufend wesentliche Unterstützung gibt. Zunächst wurde durch Einberufung von Kreiskommissionen der vom Bundesausgleichsamt für den jeweiligen Kreis - an Hand vorliegenden statistischen Materials - festgestellte Kreishektarsatz auf die Gemeinden des Kreises nach den jeweiligen Ertragsverhältnissen umgelegt. Nach endgültiger Festsetzung dieser Gemeindehektarsätze durch das Bundesausgleichsamt wurde die systematische Bewertung aller Landgemeinden vorbereitet und in Angriff genommen.

    Nach Abschluß aller erforderlichen Vorarbeiten konnte im Bereich der pommerschen Heimatauskunftstellen Mitte des Jahres 1955 mit sogenannten Gemeindearbeitskreisen die fortlaufende Ersatz-Einheitsbewertung des landwirtschaftlichen Vermögens beginnen, nachdem der erforderliche ehrenamtliche Mitarbeiterstab aus den jeweiligen Gemeinden karteimäßig und sämtliche, auch die nicht angemeldeten landwirtschaftlichen Betriebe listenmäßig erfaßt werden.

    Von 359 gebildeten Gemeindearbeitskreisen mußten in der kommenden Zeit aus 2280 Gemeinden ca. 103 000 landwirtschaftliche Betriebe begutachtet werden, die sich im Eigentum von natürlichen Personen befanden, von denen zur Schadensfeststellung ca. 56 500 Betriebe (= ca. 55 %) angemeldet sind.

    Betriebe der sog. "Toten Hand", die sich im Eigentum des Reiches, Staates, der Provinz, der Kreise und Gemeinden sowie der Kirchen u. ä. befanden, konnten nur statistisch erfaßt werden.

    Die von den Heimatauskunftstellen zusammengestellten Gemeindearbeitskreise umfaßten in der Regel mehrere Gemeinden, die zu einem Amtsbezirk gehört haben. Die nach diesen Gesichtspunkten erfolgte Zusammenstellung hat sich bewährt, weil dadurch die Begutachtung einer zusammenhängenden Einheit möglich wurde, über deren Verhältnisse alle erschienenen Gemeindearbeitskreismitglieder einigermaßen orientiert waren. Erfahrungsgemäß sind in ländlichen Verhältnissen auch die Besonderheiten nicht nur der eigenen, sondern auch der Nachbargemeinden übersehbar und so in der Regel bekannt. Bei der Bewertung aller landwirtschaftlichen Betriebe nach dem Ertragswert war diese Tatsache nicht bedeutungslos. Die Einstufung der Betriebe einer Gemeinde im Verhältnis zu dem festgelegten Gemeindehektarsatz und den sonst u. U. vorliegenden nachgewiesenen Einheitswerten ist - im großen und ganzen gesehen - in allen Gemeindearbeitskreissitzungen möglich gewesen.

    Größere Schwierigkeiten sind des öfteren bei der Klärung der Eigentumsverhältnisse aufgetreten, besonders deswegen, weil die Antragsteller teils aus Unkenntnis, teils aus Nachlässigkeit oder aber weil sie von ungeschulten Hilfskräften bei der Ausfüllung der Antragsformulare nicht hinreichend oder falsch unterrichtet worden sind. Da der Umstand, ob ein Antragsteller Alleineigentümer eines Grundstücks war oder noch ein Miteigentum der Ehefrau bestand, von nicht geringer Bedeutung ist, hat sich bezüglich der Eigentumsverhältnisse bei späterem Bekanntwerden dieser Bedeutung für die Errechnung des Grundbetrages mancher Antragsteller veranlaßt gesehen, seine ursprünglich im Antrag gemachten Angaben zu revidieren. Zu diesen Verhältnissen seitens der Gemeindearbeitskreise teilweise auch noch nachträglich - klärend Stellung zu nehmen, beansprucht viel Zeit. Die Angaben der Antragsteller zur Größe ihres Betriebes waren in der Regel ehrlich und wahrheitsgemäß erfolgt; es sind verhältnismäßig nur wenige Fälle vorgekommen, in denen die Angaben der Antragsteller auf das Maß des Tatsächlichen zurückgeführt werden mußten. Annähernd gleich groß ist aber auch die Anzahl der Fälle gewesen, in denen Antragsteller - z. B. Erben - zu geringe Größen angegeben haben, die an Hand vorliegenden bzw. von Mitgliedern des Gemeindearbeitskreises vorgelegten Materials auf den wirklichen Umfang berichtigt werden konnten. Da eine Größenabstimmung jeder Gemeinde an Hand der vorliegenden statistischen Größe möglich war, war eine Kontrolle hier stets gegeben.

    Sehr wertvoll bei der 2-3 Jahre beanspruchenden Bewertungsarbeit der Gemeindearbeitskreise war die Mitarbeit oft schon recht betagter Gewährsleute, die aus ihrer Kenntnis der heimatlichen Verhältnisse heraus beste Auskunft zu geben vermögen. Als beste Kenner der Verhältnisse kommen in der Regel die älteren und ältesten Jahrgänge, in Frage, - nicht zuletzt deswegen, weil sie die Ehrenämter, wie die eines Amtsvorstehers, Bürgermeisters, Steuererhebers usw., bevorzugt inne hatten. Beängstigend viele dieser unersetzlichen Wissensträger fallen durch Tod, Gebrechen usw. aus und sind durch jüngere Kräfte nur bedingt zu ersetzen, weil diese die Entwicklung der letzten fünf Jahre vor der Vertreibung wegen Abwesenheit als Soldat oder aus anderen Gründen nicht unmittelbar erlebten. Sehr störend hat sich für die Arbeit der Heimatauskunftstellen - und das bezieht sich auch noch auf den gegenwärtigen Zeitraum - der starke Wohnsitzwechsel innerhalb der Vertriebenenkreise durch Umsiedlung usw. bemerkbar gemacht. Nur ein sehr geringer Prozentsatz von Landsleuten setzt leider die Heimatauskunftstellen von einem erfolgten Umzug in Kenntnis, so daß jedesmal eine zeitraubende Nachforschung über die Einwohnermeldeämter erforderlich wird. Die Anschriftenkartei stets auf dem letzten Stand zu halten, erforderte und erfordert heute noch beträchtliche Arbeit, Zeit und Aufmerksamkeit.

    II. Grundvermögen:

    Während die Bewertungsrichtlinien für die Landwirtschaft eine Bewertung nach dem Ertragswert vorsehen, wird die Einheitsbewertung des Grundvermögens nach dem gemeinen Wert vorgenommen. Während es sich also bei der Landwirtschaft um eine Einstufung der Betriebe nach den jeweiligen Ertragsverhältnissen um den Gemeindehektarsatz handelt, der alle Betriebsbestandteile, wie Grund und Boden, Wohn- und Wirtschaftsgebäude, lebendes und totes Inventar, beinhaltet und eine Erfassung dieser Bestandteile im einzelnen somit nicht erforderlich macht, ist bei der Bewertung des Grundvermögens eine Gesamterfassung nach der im Zeitpunkt der Schädigung vorhandenen tatsächlichen Substanz erforderlich. Die Unterschiedlichkeit der Verfahren bedingt somit für das Grundvermögen, daß die Feststellungen für eine Ersatz-Einheitsbewertung um vieles mehr in Einzelheiten greifen müssen, von deren richtiger Feststellung oder Schätzung das Gesamtergebnis abhängt. Dies erfordert, daß die zur Abgabe der Beurteilung Heranzuziehenden über jedes Schadensobjekt genauestens im Bilde sein müssen, ja, man kann sagen, daß sie jedes zu beurteilende Objekt eigentlich bis in den letzten Winkel kennen müssen.

    Der Kreis der für diese Begutachtung in Frage kommenden Gewährsleute muß nach dem Vorgenannten von dem, der für die Begutachtung der landwirtschaftlichen Betriebe erforderlich war, wesentlich abweichen, besonders aber in größeren Landgemeinden und Städten ein ganz anderer sein. Es hat sich bewährt, hier insbesondere solche Vertrauensleute zur Mitarbeit heranzuziehen, die auf Grund ihrer früheren beruflichen Tätigkeit Gelegenheit gehabt haben, umfassende Ortskenntnisse zu erwerben. Die Begutachtung selbst erstreckt sich neben den Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen besonders auf die Bestandsaufnahmen nach dem Umfang des Schadensobjektes, Es ist dabei von besonderer Wichtigkeit, daß zu dein Feststellungsantrag selbst genaueste Angaben des Antragstellers über die Größe, Anzahl der Wohnungen, aufgeteilt nach Verschiedenheit der Räume usw., vorliegen. Da diese Unterlagen in den seltensten Fällen seitens der Ausgleichsämter den Heimatauskunftstellen vollständig übersandt wurden, ist bei der Vorbereitung der Gemeindearbeitskreissitzungen für das Grundvermögen durch die Heimatauskunftstellen viel Mehrarbeit damit verbunden, daß das fehlende Material jeweils erst angefordert werden muß.

    Bei der Begutachtung selbst muß ein gut geschulter Sachbearbeiterstab zu beurteilen vermögen, in welchem Umfang die Angaben des Antragstellers nur zu bestätigen sind oder aber in bezug auf die angegebenen Raumeinheiten, d. h. ob tatsächlich Wohnzimmer oder nur Wohnkammern usw. vorhanden gewesen sind, nachkontrolliert werden müssen. Die Schätzungen, die bei der Beurteilung der Größenverhältnisse von Nebengebäuden in der Regel mangels Originalunterlagen anzuwenden sind, müssen in Abstimmung auf das Gesamtobjekt in vertretbaren Grenzen gehalten werden. Peinlich genaue Kontrollen dahingehend, ob sich das Gesamtergebnis im Verhältnis zu annähernd gleichen Objekten vertreten läßt, müssen fortlaufend stattfinden, um im Interesse einer gerechten Beurteilung Fehlerquellen nach Möglichkeit auszuschlief3en.

    Die seit Herbst 1956 bei den Heimatauskunftstellen angelaufene Bewertung für das Grundvermögen - zunächst in Verbindung mit dem Rest der landwirtschaftlichen Gemeindearbeitskreise -, seit einiger Zeit in besonderen Arbeitskreisen "Grundvermögen", hat gezeigt, daß bei peinlicher Genauigkeit der Feststellungen ein Ergebnis zu erzielen ist, das den Ausgleichsämtern eine Beurteilung des Schadensfalles ohne wesentliche Rückfragen ermöglicht, sofern die nach der 5. FeststDV von den Ausgleichsämtern geforderten Vorarbeiten ordnungsmäßig durchgeführt und den Heimatauskunftstellen mitgeteilt wurden.

    Der bisherige Verlauf der Arbeit hat weiterhin gezeigt, daß - mit Ausnahme der kleinen Landgemeinden, für die nur wenig Anträge vorliegen, die meist durch schriftliche Befragung zu klären sind - die Bearbeitung durch Gemeindearbeitskreise das beste Ergebnis zeitigt. Sowohl leistungsmäßig in bezug auf die Anzahl der erledigten Fälle wie auch bezüglich der Sicherheit der Feststellungen kann das durch Gemeindearbeitskreise erzielte Ergebnis durch schriftliche Befragung der Gewährsleute nicht annähernd erreicht werden. Die nach der 8. Novelle zum LAG als vordringlich zu bearbeitenden Altersfälle hemmen den Ablauf der systematischen Bewertungsarbeit durch Gemeindearbeitskreise erheblich und verlangsamen durch zeitraubende schriftliche Befragung das Tempo der systematischen Begutachtung außerordentlich.

    Von den rd. 40 000 Schadensfeststellungsanträgen für Grundvermögen, die am 1.3.1958 bei den pommerschen Heimatauskunftstellen vorgelegen haben, waren zum gleichen Zeitpunkt 7645 als reines Grundvermögen und weitere 8812 Fälle, die Wohngebäude landwirtschaftlicher Betriebe betreffen und gemäß § 11 der 3. FeststDV oder nach Ziffer 1b als Grundvermögen bewertet werden müssen, in vereinfachter Form begutachtet worden.

    Die Übersendungsaktion der Unterlagen Grundvermögen seitens der Ausgleichsämter ist noch nicht abgeschlossen. Ein großer Teil der hier fehlenden - nur nach der LA 2d-Kartei als bei den Ausgleichsämtern vorhanden, feststellbar - muß jeweils längere Zeit vor Beginn der Gemeindearbeitskreissitzungen angefordert werden. Dadurch erhöht sich der Gesamtbestand der zu begutachtenden Fälle nicht unwesentlich fortlaufend. Wie hoch dieser endgültig zu veranschlagen ist, kann z. Z. nicht beurteilt werden.

    Der Gesamtbestand der im Bereich der pommerschen Heimatauskunftstellen angemeldeten Schadensfälle Grundvermögen beträgt ausweislich der fortgeschriebenen Monatsstatistik rd. 70 000, wovon jedoch ein Teil von den zuständigen Ausgleichsämtern im Rohmietverfahren ohne Inanspruchnahme der Heimatauskunftstellen bereits erledigt worden ist bzw. noch erledigt werden kann.

    III. Betriebsvermögen:

    Die seitens der Ausgleichsämter von den Heimatauskunftstellen angeforderte Begutachtung über Betriebsvermögen aller Art erstreckt sich neben der Klärung der Eigentumsverhältnisse vornehmlich auf die Ermittlung der nach der 6. FeststDV als Grundlage zu ermittelnden Betriebsmerkmale. Im wesentlichen sind es dieselben Voraussetzungen, wie sie unter dem Abschnitt Landwirtschaft und Grundvermögen bereits dargelegt wurden und auch für diese Arbeit erfüllt sein müssen,

    Daß sich die Rückfragen der Heimatauskunftstellen hier jedoch wieder an einen anderen Kreis von Auskunftspersonen zu richten haben, liegt in der Besonderheit der hierzu erforderlichen Feststellungen. Es sind nach Möglichkeit hier branchenkundige Auskunftspersonen zur Mitarbeit zu finden, die die betrieblichen Verhältnisse der Antragsteller im Zeitpunkt der Schädigung entweder auf Grund ihrer ehem. behördlichen Tätigkeit im Heimatgebiet kennen oder aber aus der nachbarlichen und branchengleichen Perspektive die Möglichkeit für eine einwandfreie Beurteilung bieten. Wesentliche Schwierigkeiten liegen darin, diese Auskunftspersonen ausfindig zu machen. Wenn auch eine umfangreiche Branchenkartei seitens der Heimatauskunftstellen gerade für Zwecke der Beurteilung von Betriebsvermögen angelegt wurde, so ist doch bei der großen Verschiedenheit der Branchen immer wieder festzustellen, daß in jedem Falle andere Gewährsleute aufgetan werden müssen, um an Hand möglichst umfangreicher Auskünfte für eine Begutachtung hinreichendes Material zur Verfügung zu haben, das eine eindeutige Stellungnahme zu nicht nur einem, sondern nach Möglichkeit mehreren Betriebsmerkmalen ermöglicht. Die Nachforschungen sind aus diesem Grunde in der Sparte Betriebsvermögen besonders gewissenhaft zu führen und verursachen demzufolge umfangreichen Schriftwechsel und erheblich viele Rückfragen.

    Bei gewissenhafter Führung der Ermittlungen ist es jedoch bisher fast in jedem Falle gelungen, hinreichende Auskünfte zu bekommen, um die Schadensfälle nach den Tabellensätzen für handwerkliche bzw. gewerbliche Betriebe, die die 6. FeststDV beinhaltet, einzugruppieren.

    Soweit nach Art und Umfang des Betriebes eine Bewertung nach dera Richtzahlverfahren nicht gegeben ist, wurden und werden fortlaufend die Voraussetzungen für die Abgabe solcher Schadensfälle an die zuständigen "Vororte" seitens der Heimatauskunftstellen ermittelt.

    An reinen Betriebsvermögensfällen lagen den pommerschen Heimatauskunftstellen am 31. 3. 1958 rd. 40 000 Stück vor.

    IV. Wiedergutmachungsfälle

    Noch gar nicht zu übersehen ist der Umfang und die Anzahl der sog. Wiedergutmachungsfälle gem. § 359 LAG, deren Abwicklung noch eine geraume Zeit in Anspruch nehmen dürfte, zumal hier der Personenkreis, der seit 1933 zu Verkäufen gezwungen wurde, zusätzlich ermittelt werden muß.

    V. Erschwernisse bei der Rekonstruktion:

    a) Kleine Abweichungen zwischen Antragsangaben und Ansicht eines Gemeindearbeitskreises sind natürlich möglich, weil sich Eigentums- und Größenverhältnisse bis 1944/45 in Einzelfällen geändert haben, von denen die Gewährsleute z. T. wegen Kriegseinsatz keine Kenntnis haben konnten.

    b) Betriebe, deren Ländereien sich auf mehrere Parzellen - bis zu 10 - bzw. auf verschiedene Gemeinden verteilen, bieten besondere Schwierigkeiten. In einer Landgemeinde wird der Bürgermeister bzw. Ortsbauernführer auch hier zuverlässig helfen können, weil er das Gemeindeareal übersieht. Anders verhält es sich jedoch in Stadtgemeinden, wo sich die landwirtschaftlichen Betriebe an die Peripherie und in unübersichtliche Parzellen verlagern.

    c) Die Kommissionen haben bei der Begutachtung die Person des Antragstellers zu berücksichtigen. Ist es der bekannte Eigentümer selbst, wird der Gewährsmann sich schnell eine Meinung bilden können. Hat die Witwe des Eigentümers den Antrag gestellt, ist zunächst zu prüfen, seit wann die Frau auf dem Hof lebte und ob sie deshalb ausreichende Kenntnis haben kann oder nicht. Treten Kinder oder sonstige Verwandte als Antragsteller auf, werden die Erschwernisse in der Begutachtung größer.

    Besondere Schwierigkeiten bestehen bei Antragstellern, die aus Altersgründen oder geistigem Versagen nur ungenaue Angaben gemacht haben. Die Mehrzahl dieser Fälle konnte aber geklärt werden.

    d) Nicht in allen Fällen waren die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Vertreibung geklärt. Eine besondere Rolle spielt hierbei das Reichserbhofgesetz und die Bestimmung des Anerben. Rechtsverordnungen zu diesem Gesetz haben bis 1943 veränderte Voraussetzungen geschaffen, die zu einer Reihe von Verfahren geführt haben, die bis zum Zeitpunkt der Vertreibung nicht mehr abgeschlossen werden konnten. In einer Reihe derartiger Fälle, in denen Doppelanträge vorliegen, wird es zu Gerichtsverfahren kommen müssen. Als Beispiel möge hier ein Fall erwähnt werden, der die Gerichte schon seit 1912 beschäftigt hat und jetzt wieder auflebt.

    e) Es ist verständlich, daß das menschliche Erinnerungsvermögen nicht immer ausreichen kann, um die aufgezeigten Fragen in einer Sitzung ausreichend zu klären. In einer Anzahl von Fällen werden die Ausgleichsämter noch Rückfrage halten müssen, nämlich dann, wenn die Antragsteller mit dem Gutachten des Gemeindearbeitskreises nicht einverstanden sind. Hier müssen dann im schriftlichen Verfahren Nachbarn und besondere Kenner des Einzelfalles gehört werden.
    Die Prozentzahl der Antragsberechtigten schwankt kreisweise erheblich, etwa zwischen 40 und 90 %. Hierbei spielen die Kampfhandlungen und die Besetzung Pommerns durch die Rote Armee eine erhebliche Rolle. Während teilweise in den westlicheren Kreisen die Möglichkeit zu rechtzeitigen Trecks bestand, waren die Bewohner der östlichen Kreise durch die aufeinanderfolgenden russischen Kesselbildungen und Vorstöße zur Ostseeküste z. T. von der Landverbindung zur Oder abgeschnitten.

    Eine besondere Schwierigkeit, der sich die Heimatauskunftstelle für den Reg.-Bez. Stettin gegenübersah, sei hier erwähnt;

    Das Gebiet des Reg.-Bez. Stettin wird von der Oder-Neiße-Linie durchschnitten, und zwar derart, daß diese Grenze die Oder an der Stelle, wo sich der Strom bei "Marienhofer Wehr" in Ost- und West-Oder teilt, hart nördlich der Straße Greifenhagen-Staffelde in nordöstlicher Richtung verlaufend, zwischen Swinemünde und Seebad Ahlbeck die Ostsee erreicht,

    Diese für uns willkürlich, wohl aber nach strategischen und anderen für die Besatzungsmacht ausschlaggebenden Gesichtspunkten festgelegte Grenze durchschneidet nicht nur die ehemaligen politischen Kreise, sondern auch die Gemarkungen der Ortschaften und teilt sogar einzelne Dörfer und Hofstellen.

    Diese Linie hat nach 1945 in einigen Abschnitten Änderungen erfahren. Da die Besitzstandsrekonstruktion nach Weisungen des Bundesausgleichsamtes für das Gebiet des sogenannten Brückenkopfes Stettin per 1.9.1952 zu erfolgen hat, demzufolge im Rahmen des LAG nur Schäden feststellbar sind, die im Vertreibungsgebiet (rechts der Oder-Neiße-Linie) entstanden sind, sind die diesbezüglichen Ermittlungen- der Heimatauskunftstelle besonders erschwert. In vielen Einzelfällen muß festgestellt werden, welche Teile des ehemaligen Besitzes - Eigentum und Pacht - nach dem 1.9.1952 sich im polnischen bzw. sowjetrussischen Verwaltungsgebiet befanden. Abgesehen von kleinen, verhältnismäßig unbedeutenden Grenzabschnitten ist es der Heimatauskunftstelle gelungen, die räumliche Abgrenzung der Besitzverhältnisse durchzuführen.

    Es sei besonders hervorgehoben, daß die Tausende von Vertrauensleuten, die entweder als Kommissionsmitglieder in Gemeindearbeitskreissitzungen in Lübeck tätig gewesen sind oder noch tätig sein werden oder im Wege der schriftlichen Befragung mitgewirkt haben oder noch mitwirken werden, unter jahrelanger Aufopferung von Freizeit und unter erheblicher Strapazierung ihres Gedächtnisses nach einem so langen Zeitabstand im Interesse ihrer heimatvertriebenen Landsleute eine einmalige Leistung vollbracht haben werden. Ihrer aller sei an dieser Stelle in besonders herzlicher Dankbarkeit gedacht! Ihr einziger Lohn - neben manchem Undank! - wird das Gefühl sein, daß die möglichst genaue Rekonstruktion der Eigentumsverhältnisse auch ein Schritt zur Wiedererlangung der Heimat ist!

    Die zuständigen Gremien der Landsmannschaften sollten aber ständig die Forderung an Bundesregierung und Bundestag stellen, die Arbeiten für eine Besitzstandsrekonstruktion, d.h. für eine Schadensfeststellung auszudehnen

    1. auf die im mitteldeutschen Gebiet gelegenen (d. h. für Pommern auf den vorpommerschen Raum),
    2. auf das sehr erhebliche Eigentum der sog. "Toten Hand" (Kirchen, Dt. Reich, Staat, Provinzen, Kreise, Gemeinden, Stiftungen, Genossenschaften u. ä.).
    Diese Unterlagen werden sowohl für den Augenblick der Wiedervereinigung mit Mitteldeutschland als auch für den Fall eines Friedensvertrages und für die Verhandlungen über die deutschen Ostgebiete dringendst benötigt werden!

    Darüber hinaus sollte eine stetige und weit stärkere Aufklärung - als dies bisher geschehen - des Auslandes (Öffentlichkeit, Universitäten, Schulen u. ä.) über die deutschen Ostgebiete seitens der hierfür zuständigen und sich hierfür verantwortlich fühlenden Stellen gefordert und betrieben werden!

    Über all unserer Arbeit und unserem Tun mögen die nachstehenden Worte unseres unvergessenen Ernst Reuter stehen - als Mahnung und zugleich als Richtschnur:

    "Eines haben wir gelernt, wir fürchten uns nicht, und weil wir uns nicht fürchten, wissen wir, daß wir stark sind, denn in uns ist lebendig der Wille, vor gar nichts und vor keinem Opfer zurückzuschrecken. - Es ist in dieser irdischen Welt so, daß man auch äußerlich stark sein muß, aber die wirkliche Stärke ist die innere Überzeugung, die Stärke des Herzens, die Stärke der Furchtlosigkeit, die erkannt hat, daß das Leben keinen Sinn hat, wenn man nur seinen täglichen Nöten nachgeht, Das Leben gewinnt seinen Sinn erst, wenn man sich ein großes, ein letztes Ziel steckt."

    Bereitgestellt von: Studienstelle Ostdeutsche Genealogie (insbes. Pommern und Pommerellen)
    der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund

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