Quellengut zur pommerschen Geschichte in ausländischen Archiven

(Auszug für Stockholm aus: Joachim Wächter, Quellengut zur pommerschen Geschichte in ausländischen Archiven. Greifswald-Stralsunder Jahrbuch, Bd.4/1964, S.195-204)


Inhalt:




...
Bei dem Schriftgut des Reichsarchivs Stockholm29 handelt es sich in der Regel nicht um Sachakten, wie sie in Deutschland üblich sind, sondern um die für Schweden typischen Reihenakten. Normalerweise sind also dort in einem Aktenband nicht Schriftstücke gleichartigen Betreffs zusammengefaßt, sondern Schriftstücke gleicher Gattung. Infolgedessen bestehen dort ganze Serien von Aktenbänden, die nur die bei einer Behörde einlaufenden Schreiben oder nur die Konzepte der Ausgänge zum Inhalt haben. Andere Reihen bestehen lediglich aus Protokollvolumen oder aus Rechnungsbänden30. Wichtig für Forschungen zur pommerschen Geschichte ist im schwedischen Reichsarchiv31 die Reichsregistratur, "Riksregistraturet". Sie umfaßt eine Serie von Abschriften und eine Serie von Konzepten der Ausgänge der Königlichen Kanzlei. Die Abschriftenreihe erstreckt sich auf die Zeit vom 16. bis ins 18. Jahrhundert. Als erschließende Register dienen die sog. Diarien, in denen die hinausgesandten Schreiben unter den alphabetisch geordneten Namen ihrer Empfänger aufgeführt sind. Für die an die pommersche Provinzialregierung abgegangenen Schriftstücke ist der Name Pommern als Stichwort gewählt worden. "Riksregistraturet" umfaßte zunächst alle Unterlagen über die Ausgänge der Königlichen Kanzlei. Später fand eine Aufgliederung der Reichsregistratur statt. Das Schriftgut über die auswärtigen Sachen wurde von 1684 an gesondert als "Utrikesregistraturet"32 geführt. In ihr fanden dann mit den Ausgängen nach den auswärtigen Besitzungen Schwedens auch die nach Pommern gesandten Schreiben ihren Niederschlag. Seit 1810 gab es schließlich eine besondere Reihe "Pommerska Registraturet". Sie endete 1815, als Schweden sein pommersches Besitztum an Preußen abtrat. Während also in der Reichsregistratur33 die Entwürfe und Abschriften der nach Pommern gesandten Schreiben mit denen anderer Ausgänge zusammengefaßt sind, bilden die aus Pommern beim schwedischen König bzw. bei der Königlichen Kanzlei in Stockholm eingelaufenen Schreiben den Kern eines rein pommerschen Bestandes, der Sammlung Pommeranica. Sie sind gegliedert erstens in Schreiben von Behörden, insbesondere der pommerschen Regierung, der Generalgouverneure und der pommerschen Kammer, zweitens in Schreiben von Korporationen, d. h. von den Ständen und von Kommunen, und drittens in Schreiben von Beamten und einzelnen Personen. Einen zweiten bedeutenden Bestandteil der Sammlung Pommeranica stellen Akten und Schreiben von Kommissionen dar, die in Pommern tätig waren. Der restliche Inhalt dieses Bestandes wird durch einzelne Akten pommerscher Behörden und Beamter sowie durch Akten über pommersche Verhältnisse gebildet. In zeitlicher Hinsicht erstreckt sich der wichtige Bestand Pommeranica34 von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Jahre 1815. Beachtung verdient auch der Parallelbestand "Wismariensia", da er eine Reihe von Bänden mit Schreiben von oder nach dem Wismarer Tribunal enthält, das als oberstes Gericht für die schwedischen Besitzungen in Deutschland auch für Schwedisch-Pommern zuständig war. Zu den "Diplomatica" ist im Stockholmer Reichsarchiv das Schriftgut zusammengefaßt, das aus fremden Territorien, von Gesandtschaften im Ausland, stammt. Für die Zeit der pommerschen Selbständigkeit, d. h. für die Herzogszeit, befinden sich unter den Diplomatica auch einige Bände, die sich auf Pommern beziehen, z. B. ein Volumen Städteangelegenheiten und ein Band Verträge. Eine Anzahl dicker Volumen ist über die zwischen Schweden, dem deutschen Kaiser und den deutschen Reichsständen in Osnabrück geführten Verhandlungen vorhanden, durch die der Dreißigjährige Krieg beendet und Pommerns Schicksal auf Jahrzehnte hinaus bestimmt wurde35. Neben dem Kanzleikollegium stellte das für die Einkünfte zuständige Kammerkollegium eine wichtige Reichsbehörde Schwedens dar. Unter dem Archivgut der Kammer36 dürften die Serien der Kollegiumsprotokolle, der bei der Kammer eingelaufenen Schreiben sowie der Registratur mit den Konzepten der Ausgänge auch aufschlußreich über pommersche Verhältnisse und Angelegenheiten sein. Die der Kammer eingesandten pommerschen Rechnungen sind fast lückenlos von den Jahren des Dreißigjährigen Krieges an vorhanden. In der ersten Zeit wurde zwischen vor- und hinterpommerschen Rechnungen unterschieden. Die Zollrechnungen gliedern sich in Haupt- und Spezialrechnungen. Zu diesen letzten gehören Städtezollunterlagen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war in Schweden die Reduktion, d. h. die Wiedereinziehung von verlehnten und verpfändeten Krongütern und -einkünften, eine staatliche Notwendigkeit geworden. Das Livländische Donationskontor (Livlandska Donationskontoret) war zuständig für die Bearbeitung derartiger Reduktionsangelegenheiten in allen auswärtigen Besitzungen Schwedens37, wenn auch die Hauptmenge solcher Reduktionsfälle sich auf Livland bezog. Unter den Akten dieser Behörde befinden sich infolgedessen auch ungefähr 30 Bände über pommersche Reduktionssachen. Der größte Teil derartigen Schriftgutes soll aber nach Pommern gegeben worden sein, da es seinerzeit dort noch gebraucht wurden38. Aufschlußreich über Vorgänge und Verhältnisse in Schwedisch-Pommern durften neben den Akten der bereits genannten zentralen Kollegien des schwedischen Staates nicht zuletzt auch die Protokolle des schwedischen Reichsrates sein.

Eine wichtige Ergänzung des im Stockholmer Reichsarchiv befindlichen staat1ichen Quellengutes zur pommerschen Geschichte bilden dort einige Bestände aus der Gruppe derer, die als Sammlungen bezeichnet werden und Nachlässe, Familien- und Gutsarchive darstellen. Besonders inhaltsreich ist die Gadebusch-Sammlung (Gadebuschska Samlingen). Sie enthält den größten Teil des handschriftlichen und gedruckten Nachlasses von Thomas Heinrich Gadebusch (1736-1804), der von 1772 an eine Greifswalder Professur für deutsches und pommersches Staatsrecht innehatte und 1797 zum Mitglied des allgemeinen Staatsausschusses in Stockholm ernannt sowie 1798 zur Mitwirkung im dortigen pommerschen "Beredning" berufen wurde. Gadebusch hatte sich Jahrzehnte hindurch mit pommerscher Geschichte, Verfassung und Verwaltung befaßt und sich für diese Bereiche eine umfangreiche Stoffsammlung angelegt. Da er außerdem von amtlicher Seite zuweilen zur Bearbeitung von Verwaltungsaufgaben herangezogen wurde, enthält die Sammlung neben Druckschriften und einer Fülle von inhaltsreichen Abschritten aus pommerschen Chroniken, Urkunden und Akten auch beachtenswerte Originalschriftstücke amtlichen Charakters und Originalakten. Insgesamt umfaßt die Gadebusch-Sammlung ungefähr 300 Bände39.

Wertvoll ist ferner "Schröers Arkivet" bzw. "Schröerska Samlingen", wie dieser Bestand auch genannt wird. Er geht zurück auf Gottfried von Schröer (1611-1672), der gebürtiger Schlesier war, seit 1642 in schwedischen Staatsdiensten stand und 1652 geadelt wurde. Er war jahrelang in pommerschen Behörden, seit 1665 als Hofgerichtsrat, tätig und hat 1660 als Legationssekretär am Friedenskongreß in Oliva teilgenommen. Das ansehnliche Archiv setzt mit Schriftgut aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein und ist in drei Abteilungen geschieden: erstens Briefwechsel mit Familienmitgliedern, zweitens Briefwechsel mit Fremden, drittens einzelne Akten, die teils die Schröersche Familie, teils wirtschaftliche Verhältnisse, teils Schröers offizielle Wirksamkeit betreffen. Bedeutsam ist, daß es sich bei "Schröers Arkivet" um ein bürgerliches Archiv handelt, da derartige Bestände aus jener Zeit sonst kaum vorhanden sind. Sein Inhalt gibt Aufschluß über das tägliche Leben in den bürgerlichen Familien und den Kreisen der Amtspersonen in Pommern, insbesondere in Stettin und Wolgast, während der 1650er und 1660er Jahre.

Auch in weiteren Beständen der Gruppe der privaten Sammlungen bzw. Archive befindet sich Schriftgut, das pommersche Angelegenheiten betrifft. So enthält "Rydboholmssamlingen" in einer Gruppe von Akten, die das Geschlecht Wrangel betreffen, innerhalb der Nummern 559 bis 594 zahlreiche Bände "räkenskaper" (Abrechnungen) und "handlingar" (Akten) über Mölschow, Krummin, Ralswiek und Spycker für die Zeit von 1654 bis 1677 und über Spycker noch für die Jahre 1727 bis 1778. - Die Bielkesammlung40 weist unter den Nummern 2167, 2250 bis 2277 Abrechnungen und Gutsakten auf, die sich z. T. auf Torgelow, Jasenitz, das Amt Wredenhagen und auf Kavelwisch beziehen. Mit "Stedingkska Arkivet" hat sich das Archiv einer alten pommerschen Familie erhalten. In ihm finden sich Urkunden, Briefe sowie Schriftstücke über Güter, Ämter und sonstige Dienstangelegenheiten. Abgesehen vom ältesten Stück, das von 1491 herrührt, stammen diese Archivalien aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, aus dem 17. Jahrhundert und in erheblichem Maße aus dem 18. Jahrhundert. Sie betreffen wiederholt den Raum Wolgast-Usedom. Insgesamt dürften diese drei Bestände, Rydboholmssamlingen, Bielkesamlingen und Stedingkska Arkivet, manchen Aufschluß über die bäuerlichen Verhältnisse geben können.

Die Kartensammlung des Stockholmer Reichsarchivs enthält Karten der Schwedischen Landesmatrikel von Vorpommern, die in den Jahren 1692 bis 1698 von schwedischen Landmessern zu Katasterzwecken geschaffen wurde41. Es handelt sich um die eine Serie der Matrikelkarten über die Inseln Usedom und Wollin42. Ihnen ist eine Ausfertigung der Karte über das Ueckermünder Amtsdorf Altwarp angereiht. Diese Karten sind zu einem Kartenbuch zusammengefaßt. Die beiden ergänzenden protokollartigen Bände mit den Beschreibungen, Arealausrechnungen und Annotationen zu den einzelnen farbigen Dorf- und Gemarkungskarten gehören dem Pommeranica-Bestand unter den Nummern 531 (Wollin) und 532 (Usedom) an43. Bei der schwedischen Landesvermessungsbehörde in Stockholm, die den Namen "Lantmäteristyrelsen" führt, befinden sich dagegen unter den Kartenbeständen43a keine pommerschen Matrikelkarten mehr44. Beachtenswertes Kartengut über den pommerschen Bereich, insbesondere Stadt- und Festungspläne, lagert aber im Stockholmer Kriegsarchiv45, das unabhängig vom Reichsarchiv besteht. Auch das Schriftgut des Kriegsarchiv46 sollte manchen historischen Aufschluß über das gleiche Gebiet bringen können.
...

Bereitgestellt von: Studienstelle Ostdeutsche Genealogie (insbes. Pommern und Pommerellen)
der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund

                   E-mail: arrendator@studienstelleog.de web-site:http://www.studienstelleog.de
                    © Klaus-Dieter Kreplin, zum Nordhang 5, D-58313 Herdecke 2000